Dr. Hans Kaufmann

Psychologe & Psychotherapeut

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Schnecken am Parkett

Achtsamkeit


"Achtsamkeit ist mit jeder Art von Präzision befasst, mit der Einfachheit des Atems, des Gehens, der Körperempfindungen oder der geistigen Erfahrungen – des Denkprozesses und von allen  Arten der Erinnerung. Gewahrsein nimmt die Totalität von all dem zur Kenntnis."

(Chögyam Trungpa)

"Einfach ausgedrückt besteht Achtsamkeit darin, allen Einzelheiten völlige Aufmerksamkeit zu schenken. Wir sind völlig von dem Gefüge unseres Lebens, von der Beschaffenheit eines jeden Augenblicks vereinnahmt. Uns wird klar, dass unser Leben aus einzelnen Momenten besteht, und dass wir immer nur mit einem Moment nach dem nächsten umgehen können. Obwohl wir Erinnerungen an die Vergangenheit und Vorstellungen über die Zukunft haben, erfahren wir doch immer nur den gegenwärtigen Moment. Dies ist die einzige Möglichkeit, unser Leben voll und ganz zu erfahren."

(Sakyong Mipham)

Achtsamkeit hat zu tun mit einer psychophysiologischen Dimension, die unser ganzes Leben entscheidend beeinflusst: mit der Qualität der Aufmerksamkeit, die wir jedem Moment entgegenbringen. Wenn unsere Aufmerksamkeit zerstreut und instabil ist, sinkt unsere Leistungsfähigkeit und Lebensqualität. Instabile, zerstreute Aufmerksamkeit ist ein untrügliches Zeichen psychischer Leidensformen. Deutlich kann man sie als Begleiterschei-nung von erhöhtem, belastendem Stress bemerken. Je schwerer der Grad des psychischen Leidens ist, umso beeinträchtigter ist die Qualität der Aufmerksamkeit.


 Achtsamkeit wird oft als ein Überbegriff für meditative Methoden verwendet, die benutzt werden, um die Qualität der Aufmerksamkeit zu optimieren. Der erste Schritt besteht in der Schulung der Fähigkeit, die Aufmerksamkeit auf einen Punkt (ein Objekt) zu fokusieren. Dabei kommt es auch zu einer inneren Beruhigung und Klärung. Wenn die Aufmerksamkeit durch ein Achtsamkeitstraining stabiler wird, kann sie sich auf eine natürliche Weise auf die Sinneswahrnehmungen und die Umgebung ausdehnen, ohne sich zu schnell zu zerstreuen. Das ist wie beim Singen in einem Chor: man kann seine Stimme halten und hört gleichzeitig auch auf die anderen und schaut auf den Dirigenten. Es geht hier um nichts Mystisches: Kochen, Windeln wechseln, Auto fahren,…überall erleben wir die Möglichgkeit und Notwendigkeit, fokusiert auf etwas zu sein und gleichzeitig Vieles, was in der Umgebung vor sich geht, zu berücksichtigen und mit einzubeziehen. Dieser Aspekt von Achtsamkeit wird Gewahrsein genannt. Gewahrsein ist nicht leer von Qualitäten. Eine davon ist scharfe, durchdringende Intelligenz, die Fähigkeit zu intuitiver Einsicht.


Achtsamkeitslehrer wie Chögyam Trungpa oder Sakyong Mipham betonen, dass Achtsamkeit/Gewahrsein bereits in uns angelegte Fähigkeiten sind und nicht etwas, was man sich erst "antrainieren" müsste. Sie weisen aber auch darauf hin, dass das "Aufdecken" oder "Manifestieren" dieser Fähigkeiten kontinuierliches und systematisches Training erfordert.
Jon Kabat-Zinn beschreibt die Schulung unserer Fähigkeiten zur Achtsamkeit als ein "reines urteilfreies Wahrnehmen der Moment-zu-Moment-Erfahrung", das uns ermöglicht zu "sehen, was in unserem Geist geschieht, ohne dies zu verändern oder zu zensieren, ohne es zu intellektualisieren oder uns in unaufhörlichem Denken zu verlieren". Als ich im Herbst 2006 mit Jon Kabat-Zinn am Freud-Museum Halt machte, war ich beeindruckt von seiner großen Wertschätzung für Siegmund Freud. Dieser hat u.a., was in der buddhistischen Tradition seit Jahrtausenden als "Gewahrsein" oder "Vipashyana" beschrieben wird, als "freischwebende  Aufmerksamkeit" in der psychotherapeutischen Begegnung entdeckt.


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